Neulich kam Nina zu mir ins Studio. Ich kenne sie schon einige Jahre und sie bereits das ein oder andere Mal mit kleinen Motiven an relativ versteckten Stellen beglücken. Dabei habe ich natürlich immer auf das Gesamtbild und das Zusammenspiel der einzelnen Tattoos untereinander geachtet. Doch was unsere gemeinsame Freude schon immer ein wenig getrübt hat ist ein großes Tattoo auf ihrem Rücken. Dabei handelt es sich um einen ziemlich unsauber gestochenen Traumfänger, den sie bereits seit über 10 Jahren auf dem Rücken trägt und der wirklich sehr unansehnlich ist.

Das Tattoo ist mir schon bei unserer allerersten Begegnung aufgefallen und ich konnte natürlich meine Klappe nicht halten und sprach sie darauf an. Ehrlichkeit gehört gerade bei solchen Sachen natürlich zum Job dazu. Schließlich will ich nicht, dass sie so verschandelt rumläuft. Doch bisher war ihr Leidensdruck einfach nicht groß genug. Dazu kommt, dass das Tattoo für die Verwirklichung ihrer Träume stand, die – wie jeder weiß – zum Jagen da sind. Nina war seit unserer ersten Begegnung sehr aktiv bei ihrem Vorhaben und hat so nach und nach einen Großteil ihrer Träume verwirklicht.

Sie hat ihre Ausbildung mit Bravour abgeschlossen und auch ein sehr erfolgreiche Studium hinterhergeschoben. Das wiederum hat sie jedoch in eine Not gebracht: Ihr Studium war so erfolgreich, dass sie für ihre Leistung geehrt werden sollte. Und dafür hat sie sich extra ein wunderschönes Trägerkleid gekauft. Ihr Problem dabei war allerdings, dass es rückenfrei war und man ihr hässliches Tattoo sehen konnte.

Also kam sie in mein Studio und bat mich um Rat. Als sie zu mir kam, war die Feier noch zwei Wochen entfernt. Und das stellte mich vor mehrere Herausforderungen und Nina vor eine schwierige Entscheidung. Die Hauptfrage war nämlich erst einmal, ob Nina lieber ein Cover-Up, also ein neues Tattoo zum Abdecken oder die Komplettentfernung haben möchte. Sie war sich zu diesem Zeitpunkt noch recht unsicher, sodass wir uns dann über verschiedene Möglichkeiten unterhalten haben.

Bei der Laserbehandlung würde ein spezieller Laser die Farbpartikel so klein aufspalten, dass sie vom Lymphsystem erfasst und abtransportiert werden könnten. Das würde jedoch mehrere Sitzungen erfordern und es wäre nicht sichergestellt, dass pünktlich zu ihrer Feier alle Spuren beseitigt wären. Hinzu kommt das Problem, dass ihr Traumfänger in Farben gestochen war, die vom Laser recht schwer zu beseitigen sind.

Also sprachen wir die Alternative durch: Ein Cover-Up. Auch dies ist eine nicht ganz einfache Entscheidung. Denn es muss ein neues Motiv gefunden werden, das groß genug ist, um das alte Motiv komplett zu überdecken. Für Nina gar nicht so einfach, denn die Entscheidung wollte sie sich auch nicht zu leicht machen. Und so haben wir beide unabhängig mehrere Tage darauf herumgedacht. Am Ende sind wir zu einer guten Lösung gekommen:

Nina hat ein Cover-Up erhalten. Und was für eins! Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich den Traumfänger schwarz übersteche und ihn in eine ordentliche, geometrische Form bringe. Für sie ein schöner Gedanke: Ihre Träume sind greifbarer geworden, genau so wie die Konturen ihres entsprechenden Tattoos. Später hat sie mir von ihrer Feier erzählt. Ihr Tattoo ist ein wahrer Hingucker gewesen und sie hat – zumindest von anderen Tattoofans – sehr viel positive Resonanz erhalten. Darüber habe ich mich sehr gefreut.